Le Havre – Licht, Luft und Weite am Ärmelkanal
Le Havre –
Licht, Luft und Weite am Ärmelkanal
Die französische Stadt Le Havre liegt unmittelbar an der Mündung der Seine am Ärmelkanal. Mit 164.000 Einwohnern ist Le Havre die größte Stadt der Normandie und Standort des nach Marseille zweitgrößten Hafens in Frankreich.
Auf Anordnung des französischen Königs François I. wurde mit dem Bau der Stadt 1517 begonnen, um die Seinemündung militärisch,vor allem vor der englische Flotte zu schützen.

Am 8. Oktober 1517 unterzeichnete François I. die Gründungsurkunde des Hafens, dessen Pläne zunächst dem Vizeadmiral Guyon Le Roy du Chillou zugeschrieben werden.
Schließlich fuhr im Oktober 1518 das erste Schiff in den Hafen von Le Havre. Der König selbst reiste dann 1520 in die neue Stadt, gewährte ihr die königlichen Privilegien auf Dauer und gab ihr sein eigenes Wappen, das aus einem Salamander bestand.
Als Heimathafen einer wachsenden Fischerflotte, durch den Bau einer Werft und den wachsenden Überseehandel gewann die Stadt schnell an Bedeutung und im 18. Jahrhundert war Le Havre bereits eine wohlhabende Stadt und Sitz des zweitgrößten Hafens nach dem an der Loire gelegenen Nantes.
Im ersten Weltkrieg war der durch seine Entfernung von der Front sichere Hafen ein wichtiger Knotenpunkt für den über den Ärmelkanal transportierten Nachschub der mit Frankreich verbündeten Streitkräfte.
Im 2. Weltkrieg besetzte die Wehrmacht 1940 nach der Kapitulation Frankreichs die Stadt und baute den Hafen und die anliegende Küste zu einer Festung als Bestandteil des Atlaktikwalls aus. Nach der erfolgreichen Invasion der Alliierten (D-Day) an den südlich gelegenen Stränden der Normandie im Juni 1944 wurde Le Havre dann am 11.September 1944 von den alliierten Streitkräften befreit.
Vorausgegangen waren tagelange schwere Luftangriffe, die immense Schäden in der Stadt verursachte und tausende von Bewohnern das Leben kosteten.

Der Wiederaufbau der nahezu komplett zerstörten Stadt erfolgte dann in den Jahren 1945 bis 1954. Ein Team unter der Leitung des französischen Architekten Auguste Perret entwickelte einen methodisch in sich geschlossenen Wiederaufbauplan, der die Verwendung von vorgefertigten Elementen und den systematischen Einsatz eines modularen Rasters vorsah und durch die innovative Nutzung von Beton verwirklicht wurde.
Der so wieder aufgebaute Stadtkern mit der charakteristischen Betonarchitektur wurde dann im Juli 2005 in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen.
Die Kirche Saint-Joseph
Die Kirche Saint-Joseph war das anspruchsvollste Bauprojekt im Wiederaufbauplan des Architekten Perret und ist bis heute das unbestrittene Symbol der Wiedergeburt von Le Havre nach der fast vollständigen Zerstörung der Stadt im 2. Weltkrieg.

Ihre Grundsteinlegung erfolgte am 21. Oktober 1951. Nach den Vorstellungen von Perret sollte diese neue Kirche über ihre kirchliche Funktion hinaus ein Mahnmal und ein 110m hoher „Leuchtturm“ des Gedenkens an den Schrecken der Zerstörung werden.
Auguste Perret beauftragte in diesem Gedanken die Glasmalerin Marguerite Huré mit der Gestaltung der farbigen Glasflächen an den Seiten des Turms. Durch ihr Werk entstehen je nach dem Lichteinfall im Inneren des Turms mehr als 50 verschiedene Grün-, Rot-, Violett-, Gelb-, Orange- und Weißtöne, die den Besucher immer in eine andere Stimmung versetzen.
Nach dem Tod von Perret im Februar 1954 führte der Le Havrer Architekt Raymond Audigier den Kirchenbau dann nach dessen Plänen zu Ende. Im Juni 1957 wurde die Kirche eröffnet und schon 1965 in die Liste der historischen Monumente Frankreichs aufgenommen.
Das Rathaus der Stadt
Das denkmalgeschützte Rathaus der Stadt befindet sich im Zentrum der Stadt an der Nordseite des Place de l’Hôtel de ville.
Ursprünglich stand hier ein 1859 errichteter Bau. Für den Wiederaufbau nach den Zerstörungen desZweiten Weltkrieges entwarf der Architekt Auguste Perret 1949 einen Plan für ein Gebäude, dass der moderne Architektur der schon 1948 neu errichteten benachbarten Wohnhäuser entsprechen sollte. Nach dem Tode Perrets im Jahr 1954 führte Jacques Tournant das Projekt weiter.

Es entstand in West-Ost-Richtung ausgerichtetes Gebäude mit einem Turm an der Westseite.
Die Rathausfassade wird von 16 Pfeilern vor dem Untergeschoss und 13 Meter hohen, sich verjüngenden Säulen vor dem Obergeschoss, geprägt. Zwischen den Säulen befinden sich jeweils hohe rechteckige Fenster. Der Mittelbau hat eine Länge von 92 Metern.
Die Einweihung des Rathauses erfolgte schließlich am 14. Juli 1958.

Der Vulkan – das Haus der Kultur
Dieses Gebäude, eigentlich ein Doppelvulkan, wurde von Oscar Niemeyer (1907-2012) entworfen, einem brasilianischer Architekten und einer Schlüsselfigur der modernen Architektur. Berühmt für seine Entwürfe in der brasilianischen Hauptstadt Brasilia erbaute er für Le Havre 1972–1982 dieses Gebäude für das Kulturzentrum der Stadt, das rasch seinen Spitznamen Le Volcan erhielt.
Es befindet sich im Stadtzentrum von Le Havre am Place Oscar Niemeyer.

Das Gebäude besteht aus zwei Teilen, den großen und den kleinen Vulkan, die scheinbar voneinander getrennt, aber durch Untergeschosse miteinander verbunden sind.
Der kleine Vulkan (Petit Volcan) in Le Havre wurde vom brasilianischen Architekten Oscar Niemeyer entworfen und zwischen 1972 und 1982 erbaut. Das Gebäude ist Teil des Kulturzentrums Le Volcan, das aus zwei charakteristischen Baukörpern besteht: dem großen und dem kleinen Vulkan.
Als Kontrast zu den sie umgebenden von Auguste Perret entworfenen Häusern hat Niemeyer die beiden Gebäudeteile mit runden Formen angelegt. Aus der Vogelperspektive erkennt man, dass die geschwungenen Formen und Rampen der Anlage so angelegt sind, dass sie den Umriss einer Taube ergeben, einem Symbol des Friedens.
Der zentrale Gebäudeteil ist in der Form eines abgeschnittenen, sich nach oben verjüngenden Kegels gestaltet und wird daher der große Vulkan genannt. Hier befindet sich die Scène nationale du Havre, ein renommiertes Theater- und Kulturzentrum mit einem Theatersaal für etwa 1.200 Zuschauer und einem Kinosaal mit 350 Plätzen.
In dem kleinen Vulkan befindet sich seit 2015 die städtische Mediathek, die Oscar-Niemeyer Bibliothek.
Bassin du Commerce Le Havre
Der Bassin du Commerce ist ein historisches und städtebaulich prägendes Hafenbecken im Zentrum von Le Havre und ein Symbol für die maritime Identität der Stadt. Es ist etwa 500 Meter lang und 99 Meter breit und verbindet das Stadtzentrum mit dem Viertel Île Saint-François und über eine Schleuse kann man das offene Meer erreichen.
Der Bau des Beckens begann 1792 und wurde 1820 abgeschlossen. Es diente einst als wichtiger Umschlagplatz für Schiffe und Waren, wurde aber auch für kulturelle und gesellschaftliche Veranstaltungen genutzt, so für die Internationale Maritime Ausstellung im Jahr 1887.

Heute kann man über eine moderne Fußgängerbrücke von Guillaume Gillet (1969) das Becken überqueren. Hier ist ein beliebter Ruhepol zum Entspannen und Spazierengehen in der Stadt.

Am Ende des Beckens steht das Monument aux morts (Denkmal in Ehre für die gefallenen Soldaten des Ersten Weltkriegs) von Pierre-Marie Poisson (1924), das die Bombardierungen des Zweiten Weltkriegs unversehrt überstanden hat.
Die Kathedrale Notre Dame
Die Kathedrale Notre Dame ist die katholische Bischofskirche des Bistums Le Havre. Sie ist eines der wenigen erhaltenen Vorkriegsgebäude der Innenstadt.

Der Bau der heutigen Kirche wurde 1575 beschlossen und von dem Maurermeister Nicolas Duchemin geleitet. 10 Jahre später wurde der Kirchenchor fertig gestellt, das Kirchenschiff dann im Jahr 1597. Allerdings fehlte das Gewölbe der Kirche.
König Heinrich IV. gewährte schließlich einen jährlichen Zuschuss zur Vollendung der Arbeitend so konnte die Kirche im Jahr 1630 vollendet werden. Die Renaissance- und Barockformen zeugen von dem Wechsel des Architekturstils während der Bauzeit..
Während der französischen Revolution wurde die Kirche zu einem Tempel der Vernunft und Freiheit umgewidmet. Dann diente sie als Futterspeicher.
Ab dem Jahr 1801 wurde die Kirche wieder für den Gottesdienst in Gebrauch genommen und, vor allem die Westfassade, bis 1830 renoviert.
Im Zweiten Weltkrieg wurde die Kirche durch Bombardierungen schwer beschädigt. Die meisten Fenster wurden schon im August 1941 zerstört. Die Bombardierungen im Juni 1944 und vor allem die verheerenden Bombardierung der Stadt am 5. und 6. September 1944 zerstörten dann fünf Bögen des Kirchenschiffs komplett.
Der erneute Wiederaufbau wurde 1974 beendet, aber im Jahr 1994 drohte das südliche Seitenschiff wegen des sumpfigen Untergrundes einzustürzen. Die darauf erfolgenden Renovierungsarbeiten dauerten von 2001 bis 2004.
Im Jahr 1974 gründetePapst Paul VI. auch die Diözese Le Havre. Daher wurde die Kirche Notre Dame am 7. Dezember 1974 zur Kathedrale erhoben.
Une été au Havre
Im Jahr 2017 wurde anläßlich der 500-jahr-Feier von Le Havre zum ersten Mal Kunstfestival, “Un été au Havre” veranstaltet.
Im Jahr 2022 besuchten schon über 1,3 Millionen Menschen dieses Kunstfest in La Havre, auf dem von Ende Juni bis Mitte September an verschiedenen Orten der Stadt Kunstwerke zu sehen sind. Einige dieser Werke verbleiben dann auf Wunsch der Bürger dauerhaft in der Stadt.
Jedes Jahr werden für die Veranstaltung, die von Ende Juni bis Mitte September dauert, ephemere Monumentalwerke produziert, die für bestimmte Orte in der Stadt gedacht sind. Auf Wunsch der Bürger von Le Havre werden einige Werke dauerhaft in die Sammlungen der Stadt aufgenommen.
Porte Océane / the beach 2017 UP-3
Das Künstlerduo Sabina Lang und Daniel Baumann ist bekannt für seine Kreationen, die sich an der Schnittstelle zwischen Skulptur, Design, Stadtmobiliar und Architektur bewegen. Sie werden dabei explizit für die Umgebung, in der sie aufgestellt sind, entworfen.
Für die Veranstaltung im Jahr 2017 schufen die Künstler am Stand von Le Havre eine großformatige Skulptur aus mehreren ineinandergreifenden Rechtecken., die 2018 durch eine neue, formgleiche Version aus weißem Beton ersetzt wurde.

Als Fortsetzung der Hauptachse Avenue Foch formt diese Struktur ein zweites Tor zum Meer, das sich an der Symmetrie des von Perret geschaffenen Gebäudekomplexes Porte Océane orientiert. Bei Ebbe fest im Kiesboden verankert umspülen bei Flut die Wellen den Sockel und lassen die Skulptur wie einen Eingang erscheinen, der ins Meer führt.
Stephan Balkenhol
Stephan Balkenhol entdeckte die moderne Architektur des Wiederaufbaus von Le Havre im Rahmen des Kunstfestivals im Jahr 2019.
Die während des Wiederaufbaus verwendeten vorgefertigten regelmäßigen Elemente enthalten manchmal Fensterrahmen, die von vornherein verschlossen blieben.

Diese unbewohnten Räume inspirierten Stephan Balkenhol dazu, sich Menschen vorzustellen, die in diesen Räumen wohnen könnten. Diese imaginären Bewohner stellte er als Figuren in die geschlossenen Fensterrahmen.
Informationen:
